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Erfolg­reich Ver­han­deln und Kon­flik­te lösen durch das (erwei­ter­te) “Harvard-Konzept”

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

August 2020 

Im Geschäfts­le­ben stehen Ver­hand­lun­gen und Kon­flikt­si­tua­tio­nen an der Tages­ord­nung. Wenn­gleich alle Betei­lig­ten typi­scher­wei­se für sich selbst das Optimum errei­chen möchten, so kann es durchaus ziel­füh­rend sein, durch kon­struk­ti­ve und fried­li­che Einigung in Kon­flikt­si­tua­tio­nen eine Win-Win-Situa­ti­on zu errei­chen. Das von Fisher/Ury ent­wi­ckel­te soge­nann­te “Harvard-Konzept” geht in diese Richtung — es wurde von Fisher/Shapiro ergänzt und damit das “erwei­ter­te Harvard-Konzept” geschaf­fen. Die wichtige Kern­bot­schaft des (ursprüng­li­chen) Harvard-Konzepts liegt darin, dass optimale Ver­hand­lungs­er­geb­nis­se oftmals dann erzielt werden können, wenn die Inter­es­sen der Ver­hand­lungs­part­ner ent­spre­chend berück­sich­tigt werden. Das bewusste Aus­spie­len von Stärken oder Nach­ge­ben treten somit in den Hin­ter­grund. Ein gängiges Problem liegt hingegen – wenn der unbe­ding­te Wille zum Gewinnen im Vor­der­grund steht – darin, dass sich die Fronten ver­här­ten können; gerade durch das zu häufige Zeigen von Stärke.

Vielmehr stellt das Harvard-Konzept das sach­be­zo­ge­ne Ver­han­deln in den Mit­tel­punkt. Für den Erfolg müssen typi­scher­wei­se vier Grund­vor­aus­set­zun­gen erfüllt sein. Essen­ti­ell ist dabei, dass das Ergebnis der Ver­hand­lun­gen auf objek­ti­ven Ent­schei­dungs­kri­te­ri­en aufbaut – überdies sind vor der Ent­schei­dung unter­schied­li­che Wahl­mög­lich­kei­ten zu ent­wi­ckeln. Weiters müssen Menschen und Probleme getrennt von­ein­an­der behan­delt werden (Trennung von Sach- und Bezie­hungs­ebe­ne). Dabei darf auch nicht ver­ges­sen werden, dass die Inter­es­sen im Vor­der­grund stehen und nicht etwa die Positionen.

Die Grund­vor­aus­set­zun­gen werden anschau­li­cher, wenn folgende Ver­halt­ens­emp­feh­lun­gen berück­sich­tigt werden. Für eine klare Kom­mu­ni­ka­ti­on ist es not­wen­dig, ver­ständ­lich zu sprechen und auch auf­merk­sam zuzu­hö­ren. Ebenso ist es wichtig, über sich selbst zu sprechen und nicht über das Gegen­über. Dem Gesprächs­part­ner sollte man jedoch rück­mel­den, was man gehört und vor allem ver­stan­den hat. Die Schuld an eigenen Pro­ble­men darf nicht der Gegen­sei­te zuge­scho­ben werden und man sollte es unter­las­sen, von eigenen Befürch­tun­gen auf Absich­ten anderer zu schlie­ßen. Unter der Prämisse, auch die Inter­es­sen der Ver­hand­lungs­part­ner errei­chen zu wollen, ist es wichtig, sich in die Lage des Gegen­übers zu ver­set­zen, die Vor­stel­lun­gen beider Seiten anzu­spre­chen und schließ­lich bei den Wahl­mög­lich­kei­ten das Wer­te­sys­tem des anderen zu berück­sich­ti­gen.

Erwei­ter­tes Harvard-Konzept berück­sich­tigt emo­tio­na­le Seite

Das erwei­ter­te Harvard-Konzept zeichnet sich dadurch aus, dass neben Emp­feh­lun­gen für sach­be­zo­ge­nes Ver­han­deln auch die emo­tio­na­le Seite berück­sich­tigt wird. Ins­be­son­de­re stechen fünf Grund­be­dürf­nis­se hervor. Diese umfassen Wert­schät­zung, Ver­bun­den­heit, Auto­no­mie, Status und Rolle.

Wert­schät­zung

Begin­nend mit einer nega­ti­ven Abgren­zung kann es typi­scher­wei­se dann nicht zu Wert­schät­zung kommen, wenn der Stand­punkt des anderen tat­säch­lich nicht ver­stan­den wird, sofern Zweifel am Wert des Stand­punkts bestehen oder wenn die Aner­ken­nung nicht zum Ausdruck gebracht wird. Hingegen kommt es zu Wert­schät­zung, wenn auf die Sicht­wei­se des Gegen­übers ein­ge­gan­gen wird und die Gedanken und Gefühle des anderen aner­kannt werden. Ein zum Teil falsches Ver­ständ­nis von Wert­schät­zung bzw. Aner­ken­nung liegt dann vor, wenn Aner­ken­nung mit Nach­ge­ben ver­wech­selt wird. Dabei bleibt es einem unbe­nom­men, einen Vor­schlag abzu­leh­nen, selbst wenn man die Meinung des anderen aner­kennt und die dahinter lie­gen­den Gedanken versteht.

Ver­bun­den­heit

Ver­bun­den­heit kann bei­spiels­wei­se durch das Finden von Gemein­sam­kei­ten oder durch einen Inter­es­sens­aus­gleich her­ge­stellt werden – der ver­meint­li­che Gegner wird dann zum Partner. Wichtig ist dabei jeden­falls, dass eine struk­tu­rier­te Bezie­hung als Gesprächs­part­ner und eine per­sön­li­che Bezie­hung als Ver­trau­ter auf­ge­baut werden. Wichtig für den Erfolg kann oftmals auch das Betonen der Inter­es­sen der Gegen­sei­te sein – überdies kann der (dezente) Hinweis helfen, dass es sich bei den Ver­hand­lun­gen um eine gemein­sa­me Aufgabe handelt. Bei aller Ver­bun­den­heit mit dem Ver­hand­lungs­part­ner und dem bewuss­ten oder unbe­wuss­ten Schaffen von Gemein­sam­kei­ten darf dies jedoch nicht zur Folge haben, dass man aufgrund der Gemein­sam­kei­ten und per­sön­li­chen Bezie­hun­gen leicht­fer­tig den Vor­schlä­gen des Ver­hand­lungs­part­ners zustimmt – der nüch­ter­ne Verstand sollte letzt­lich immer die Oberhand behalten.

Auto­no­mie

Ganz all­ge­mein wie auch in Ver­hand­lun­gen steht Auto­no­mie für die Aner­ken­nung von Hand­lungs­spiel­räu­men der beiden Ver­hand­lungs­part­ner. Dabei sollen die eigenen Hand­lungs­spiel­räu­me ver­grö­ßert werden, ohne die des anderen zu ver­let­zen. Fehlende Auto­no­mie kann sich auch in dem Gefühl aus­drü­cken, dass ein falscher Schritt die gesamten Ver­hand­lun­gen platzen lassen könnte. Zum Glück gibt es auch Maß­nah­men, durch welche die Auto­no­mie gestärkt werden kann – etwa durch das Aus­spre­chen von Emp­feh­lun­gen, durch das Ent­wi­ckeln von Optionen oder durch gemein­sa­mes Brain­stor­ming.

Status

Das Grund­be­dürf­nis Status ist von vie­ler­lei Fall­stri­cken umgeben, da etwa das Igno­rie­ren oder Her­ab­set­zen des Status des Gesprächs- bzw. Ver­hand­lungs­part­ners Krän­kun­gen und Ver­let­zun­gen her­vor­ru­fen kann. Wird hingegen der Status der Person unter­stri­chen, so führt dies zu Aner­ken­nung und Erhöhung des Selbst­wert­ge­fühls. Folglich resul­tie­ren aus der Aner­ken­nung des Status regel­mä­ßig Moti­va­ti­on und die Bereit­schaft, pro­duk­tiv und kon­struk­tiv mit­zu­wir­ken. Beim Thema Status wird oft zwischen Sozi­al­sta­tus und Spe­zi­al­sta­tus (inner­halb eines klar defi­nier­ten Sach­ge­biets) unterschieden.

Rolle

Rolle als Grund­be­dürf­nis erfüllt schließ­lich drei Anfor­de­run­gen. Neben dem klaren Zweck und Rahmen für das eigene Ver­hal­ten muss eine Rolle als per­sön­lich sinnvoll emp­fun­den werden, um Fähig­kei­ten, Inter­es­sen und Werte bei der Tätig­keit ein­set­zen zu können. Schließ­lich zeigt die Rolle – im Gegen­satz zu einer Maske – wer jeder einzelne wirklich ist. Für erfolg­rei­che Kom­mu­ni­ka­ti­on und Kon­flikt­lö­sung gilt es also Rollen zu suchen, mit denen die Zusam­men­ar­beit mit anderen ver­bes­sert werden kann. Inner­halb einer solchen Rolle können idea­ler­wei­se befrie­di­gen­de Tätig­kei­ten ausgeübt werden.

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