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Artikel zum Thema: Negativzinsen

“Nega­tiv­zin­sen” — Banken dürfen Zinssatz nicht nur nach unten hin begrenzen

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

August 2017 

Das aktuell niedrige Zins­ni­veau führt zwar dazu, dass auf Konten und Spar­bü­chern keine Zinsen lukriert werden können, auf der anderen Seite sind aller­dings auch die Kre­dit­zin­sen his­to­risch niedrig und können somit zu einer güns­ti­gen Bedie­nung und Rück­zah­lung von Krediten bei­tra­gen. Vor­aus­set­zung ist freilich, dass ein varia­bler Zinssatz ver­ein­bart wurde, der sich bei Krediten in EUR typi­scher­wei­se am Euribor ori­en­tiert. So ist es etwa gängige Praxis, dass basie­rend auf dem 3‑Monats-Euribor (3M-Euribor) quar­tals­wei­se der aktuelle 3M-Euribor als Basis- bzw. Refe­renz­z­ins­satz her­an­ge­zo­gen wird und durch einen (Zins)Aufschlag (Spread) erhöht wird. Der für die Zins­be­rech­nung maß­ge­ben­de Zinssatz hängt also von einem varia­blen (Basis)Zinssatz und dem ver­ein­bar­ten (Zins)Aufschlag ab und ändert sich quar­tals­wei­se, sofern der Basis­zins­satz einer Änderung unterliegt.

Mögliche Folgen eines nega­ti­ven Basiszinssatzes

In jüngster Ver­gan­gen­heit ist etwa der 3M-Euribor als Basis­zins­satz negativ geworden, wodurch sich übli­cher­wei­se die fol­gen­den drei Mög­lich­kei­ten für die Berech­nung des Kre­dit­zins­sat­zes ergeben. Bei­spiel­haft sei ange­nom­men, dass der Auf­schlag (Spread) 1,15% (dies ent­spricht 115 Basis­punk­ten) beträgt und der 3M-Euribor bei ‑1,5% liegt.

  1. Ver­gleich­bar der typi­schen Zusam­men­rech­nung von Basis­zins­satz und Spread errech­net sich im Bei­spiel­fall ein Zinssatz von -0,35%. Die Aus­wir­kun­gen des nega­ti­ven Basis­zins­sat­zes würden voll­stän­dig an den Kre­dit­neh­mer wei­ter­ge­ge­ben — die Bank als Kre­dit­ge­ber müsste dem Kre­dit­neh­mer Zinsen zahlen.
  2. Der Zinssatz (ingesamt) wird mit 0% fest­ge­legt und somit der negative Basis­zins­satz zum Teil an den Kre­dit­neh­mer weitergegeben.
  3. Der Basis­zins­satz wird mit 0% fest­ge­legt — zusammen mit dem Spread ergibt sich ein Zinssatz von 1,15% (Zinssatz ent­spricht dem Spread). In dieser Kon­stel­la­ti­on wird der negative Basis­zins­satz gar nicht an den Kre­dit­neh­mer wei­ter­ge­ge­ben — der Spread stellt also den vom Kre­dit­neh­mer zu zah­len­den Min­dest­zins­satz dar.

Der Oberste Gerichts­hof hatte sich in letzter Zeit mehrmals mit Kon­stel­la­tio­nen aus­ein­an­der­zu­set­zen, bei denen die Ver­trags­par­tei­en zu einem Kre­dit­ver­trag mit varia­blem Zinssatz — es handelt sich dabei um Geschäfts­ban­ken und Pri­vat­kun­den — sehr konträre Ansich­ten zu den Folgen eines nega­ti­ven Basis­zins­sat­zes hatten. Während die Banken oftmals in Form einer Mit­tei­lung darauf hin­wie­sen, dass der „Zins­in­di­ka­tor“ (Basis­zins­satz) auch bei einem tat­säch­lich nega­ti­ven Wert mit 0,0% fest­ge­legt würde, waren die Pri­vat­kun­den der Ansicht, dass anstelle einer ein­sei­ti­gen Zins­un­ter­gren­ze der negative Basis­zins­satz zumin­dest teil­wei­se an sie wei­ter­ge­ge­ben werden müsse.

Banken müssen keine Zinsen an Kre­dit­neh­mer zahlen

In seinem Urteil vom 30.5.2017 (GZ 8 Ob 101/16k) stellte der OGH klar, dass es selbst in der theo­re­tisch mög­li­chen und rech­ne­risch denk­ba­ren Situa­ti­on (siehe Beispiel 1 oben) nicht dazu kommen könne, dass die Bank als Kre­dit­ge­ber Zinsen zahlen muss, wenn die Summe aus Basis­zins­satz und Auf­schlag einen nega­ti­ven Zinssatz ergibt. Das ist auch damit zu erklären, dass ein red­li­cher Kre­dit­neh­mer bei Ver­trags­ab­schluss nicht damit rechne, zu irgend­ei­nem Zeit­punkt während der Kre­dit­lauf­zeit Zah­lun­gen vom Kre­dit­ge­ber zu erhalten, sodass der Kre­dit­ge­ber ins­ge­samt mög­li­cher­wei­se weniger zurück­er­hält, als er zur Ver­fü­gung gestellt hat. Außerdem sei der über­ein­stim­men­de Par­tei­wil­le über Ver­trags­ge­gen­stand und Ver­trags­in­halt bei einem Kre­dit­ver­trag typi­scher­wei­se so, dass die Zah­lungs­ver­pflich­tung der kre­dit­ge­ben­den Bank an den Kre­dit­neh­mer aus­ge­schlos­sen ist. Ver­gleich­ba­res gilt übrigens auch bei Spar­ein­la­gen von Ver­brau­chern — der Sparer muss keine Zinsen zahlen, damit die Bank sein Erspar­tes verwahrt.

Wenn­gleich also die „klas­si­sche“ Rol­len­ver­tei­lung zwischen Kre­dit­ge­ber und Kre­dit­neh­mer nicht umge­kehrt wird und die Bank keine Zinsen an den Kre­dit­neh­mer zahlen muss bzw. die Rest­schuld ver­rin­gern muss, stärkt in einer weit prak­ti­sche­ren Frage der OGH den Kre­dit­neh­mern (Ver­brau­chern im Sinne des Kon­su­men­ten­schutz­ge­set­zes) den Rücken. Wie oben bei­spiel­haft in Variante 2 bzw. 3 dar­ge­stellt, geht es darum, ob der negative Basis­zins­satz zumin­dest teil­wei­se an den Kre­dit­neh­mer wei­ter­zu­ge­ben ist oder ob der variable Zinssatz mit 0% „ein­ge­fro­ren“ werden kann und jeden­falls der (Zins)Auf­schlag als Unter­gren­ze zu ver­rech­nen ist. Seitens der Banken wird diese Art der Ver­rech­nung oftmals damit argu­men­tiert, dass durch den Auf­schlag zumin­dest die Produktions‑, Risiko- und Eigen­ka­pi­tal­kos­ten gedeckt werden sollen. Theo­re­tisch betrach­tet könnte die Ver­rech­nung des Zins­auf­schlags (im Sinne einer Min­dest­zah­lung) z.B. auch damit argu­men­tiert werden, dass ein ent­gelt­li­ches Geld­dar­le­hen nur dann vorliegt, wenn der Kre­dit­neh­mer dem Kre­dit­ge­ber neben der Kre­dit­sum­me weitere Zah­lun­gen als Gegen­leis­tung für die Kapi­tal­nut­zung leistet.

Rück­zah­lung zu viel berech­ne­ter Zinsen?

Hingegen spricht die Beson­der­heit eines Kredites mit varia­blem Zinssatz — im Ver­gleich zu einem Kredit mit fixer Ver­zin­sung — für die Wei­ter­ga­be des Vorteils aus einem nega­ti­ven Refe­renz­z­ins­satz an den Kre­dit­neh­mer. Es sei nämlich davon aus­zu­ge­hen, dass der Kre­dit­neh­mer bei Ver­trags­ab­schluss mit einer aus­ge­wo­ge­nen Ver­tei­lung von Chancen und Risiken gerech­net habe und daher die Chance auf einen gerin­ge­ren bzw. einen 0%-Zinssatz nicht durch eine soge­nann­te „Stop-Loss-Klausel“ genommen werden dürfe. Anders als bei einem Kredit mit einem fixen Zinssatz, bei dem für beide Ver­trags­par­tei­en Unter- und Ober­gren­ze fest­ge­legt sind, ist dem OGH folgend die Begren­zung des Indi­ka­tors mit 0,0% (nach unten) — ohne gleich­zei­ti­ge Ver­ein­ba­rung einer sym­me­tri­schen Ober­gren­ze — mit den Grund­la­gen des Kon­su­men­ten­schutz­ge­set­zes unver­ein­bar. Um den Ver­brau­cher­schutz zu gewähr­leis­ten, muss nämlich bei Zins­gleit­klau­seln eine Ent­gelt­sen­kung im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeit­li­chen Umset­zung wie eine Ent­gelt­stei­ge­rung erfolgen. Eine Begren­zung des varia­blen Refe­renz­z­ins­sat­zes mit 0% als Unter­gren­ze wäre also nur dann rechtens, sofern auch der Zinssatz nach oben hin ent­spre­chend begrenzt wäre — ver­gleich­bar der typi­schen Situa­ti­on bei Bau­spar­dar­le­hen.

Aufgrund der Aktua­li­tät des Themas ist anzu­neh­men, dass die Geschäfts­ban­ken unter­schied­lich (schnell) auf das OGH-Urteil reagie­ren werden. Für Kre­dit­neh­mer, die unter das KSchG fallen und einen Kredit mit varia­blem Zinssatz bedienen oder bedient haben, könnte es bald zu einer Rück­erstat­tung von seit dem Jahr 2015 zu viel bezahl­ten Zinsen kommen. 

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