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Artikel zum Thema: Phase 5

Die öster­rei­chi­schen Ver­rech­nungs­preis­richt­li­ni­en 2021

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

Dezember 2021 

Die Kon­zern­ver­rech­nungs­prei­se haben nicht zuletzt durch das BEPS-Projekt der OECD und durch die Ein­füh­rung des Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­ti­ons­ge­set­zes (VPDG) in den letzten Jahren massiv an Bedeu­tung gewonnen. Das Kern­ele­ment der Ver­rech­nungs­prei­se liegt in dem Fremd­ver­hal­tens­grund­satz (“dealing at arm’s length princip­le”, das auch generell für die Bezie­hung zwischen Gesell­schaf­ter und Gesell­schaft relevant ist) und führt dazu, dass grenz­über­schrei­ten­de Trans­ak­tio­nen im Konzern so bepreist werden müssen, als ob mit einem fremden Dritten kon­tra­hiert würde bzw. als ob zwei fremde Unter­neh­men mit­ein­an­der ver­han­deln würden. Gegen­über den Finanz­ver­wal­tun­gen der betei­lig­ten Staaten muss die Fremd­üb­lich­keit der Ver­rech­nungs­prei­se regel­mä­ßig in Form einer Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­ti­on (typi­scher­wei­se Master File und Local File) nach­ge­wie­sen werden. Gelingt dies nicht, drohen Gewinn­erhö­hun­gen durch Betriebs­prü­fun­gen und im schlimms­ten Fall kann es auch zu Dop­pel­be­steue­rung kommen.

Die öster­rei­chi­schen Ver­rech­nungs­preis­richt­li­ni­en, welche sich sehr stark an den Ent­wick­lun­gen der OECD und auch an den OECD-Ver­rech­nungs­preis­richt­li­ni­en (2017) ori­en­tie­ren, sind zwar für den Steu­er­pflich­ti­gen nicht bindend, geben aber gute Ein­bli­cke in die Erwar­tun­gen an Ver­rech­nungs­prei­se seitens der Finanz­ver­wal­tung, nicht zuletzt da die Ver­rech­nungs­preis­richt­li­ni­en für die öster­rei­chi­sche Finanz­ver­wal­tung bindend sind. Rund 11 Jahre nach den öster­rei­chi­schen Ver­rech­nungs­preis­richt­li­ni­en 2010 wurden Anfang Oktober 2021 die öster­rei­chi­schen Ver­rech­nungs­preis­richt­li­ni­en 2021 (VPR 2021) neu ver­laut­bart. Der grund­sätz­li­che Aufbau hat sich nicht wesent­lich ver­än­dert — der Umfang der Richt­li­ni­en ist jedoch gestie­gen und umfasst rund 180 Seiten. Die wesent­li­chen Teil­be­rei­che der VPR 2021 sind “Mul­ti­na­tio­na­le Kon­zern­struk­tu­ren”, “Mul­ti­na­tio­na­le Betriebs­stät­ten­struk­tu­ren”, “Doku­men­ta­ti­ons- und Mel­de­pflich­ten” sowie “Abga­ben­be­hörd­li­che Verrechnungspreisprüfung”.

Mul­ti­na­tio­na­le Konzernstrukturen

Im Teil­be­reich Mul­ti­na­tio­na­le Kon­zern­struk­tu­ren sind neben den fünf OECD-Ver­rech­nungs­preis­me­tho­den (Preis­ver­gleichs­me­tho­de, Wie­der­ver­kaufs­preis­me­tho­de, Kos­ten­auf­schlags­me­tho­de, Gewinn­tei­lungs­me­tho­de und Trans­ak­ti­ons­be­zo­ge­ne Net­to­mar­gen­me­tho­de) auch Erläu­te­run­gen zu den ver­schie­de­nen kon­zern­in­ter­nen Trans­ak­tio­nen wie auch weitere Aspekte zur gene­rel­len Ver­rech­nungs­preis­ge­stal­tung enthalten.

In der Praxis span­nen­de Themen sind regel­mä­ßig jene der Year-End-Adjus­t­ments (Jah­res­en­dan­pas­sun­gen) und die (mögliche) Kor­rek­tur auf den Median, wenn ein kon­zern­in­tern ange­setz­ter Preis außer­halb der Band­brei­te fremd­üb­li­cher Werte liegt. An Jah­res­en­dan­pas­sun­gen wurden bereits in der Ver­gan­gen­heit strenge Anfor­de­run­gen gesetzt, selbst wenn Jah­res­en­dan­pas­sun­gen betriebs­wirt­schaft­lich betrach­tet oftmals prak­ti­ka­bel sind. Durch unter­jäh­ri­ge Anpas­sun­gen und durch Jah­res­en­dan­pas­sun­gen — beides erfor­dert ent­spre­chend auf­merk­sa­mes Moni­to­ring — kann nämlich sicher­ge­stellt werden, dass Rou­ti­ne­un­ter­neh­men konstant eine ange­mes­se­ne Ver­gü­tung erhalten, welche deren Funk­ti­ons- und Risi­ko­pro­fil ent­spricht (Chancen und Risiken werden über­wie­gend vom Zen­tral­un­ter­neh­mer getragen). Bei der Frage der Medi­ankor­rek­tur war die hei­mi­sche Finanz­ver­wal­tung bislang und teil­wei­se entgegen inter­na­tio­na­len Gepflo­gen­hei­ten der Ansicht, dass zwingend auf den Median ange­passt werden muss, wenn der vom Steu­er­pflich­ti­gen ange­setz­te Preis außer­halb der Band­brei­te der Fremd­ver­gleichs­wer­te liegt (z.B. außer­halb der Ergeb­nis­se einer Daten­bank­stu­die). Die VPR 2021 sehen nun vor, dass auch eine Kor­rek­tur auf einen Wert inner­halb der Band­brei­te (z.B. knapp oberhalb/unterhalb der ent­spre­chen­den Grenze) möglich ist, wenn der Nachweis gelingt, dass der ange­streb­te Kor­rek­tur­wert am ver­läss­lichs­ten ist.

Prak­ti­sche Aspekte zu Dienst­leis­tun­gen und Finan­zie­rungs­trans­ak­tio­nen im Konzern

Während kon­zern­in­ter­ne Dienst­leis­tun­gen ein Dau­er­bren­ner in Ver­rech­nungs­preis­fra­gen und der damit zusam­men­hän­gen­den ‑doku­men­ta­ti­on sind, haben die kon­zern­in­ter­nen Finan­zie­rungs­trans­ak­tio­nen wie etwa Darlehen, Garan­tien oder ein Cash Pool in den letzten Jahren und trotz Nied­rig­zins­pha­se stark an Bedeu­tung gewonnen. Bei Dienst­leis­tun­gen sind meistens die Kos­ten­ba­sis und die Höhe des ver­rech­ne­ten Gewinn­auf­schlags Aus­gangs­punkt für mögliche Dis­kus­sio­nen mit der Betriebs­prü­fung. Die VPR 2021 führen beim Gewinn­auf­schlag zu einer bedeut­sa­men Änderung — nunmehr kann bei Rou­ti­ne­dienst­leis­tun­gen zur Unter­maue­rung der Fremd­üb­lich­keit des Gewinn­auf­schlags ohne Nachweis durch eine Daten­bank­stu­die mit Verweis auf das EU-Joint Transfer Pricing Forum ein (Netto)Gewinnaufschlag zwischen 3 % und 10 % (häufig 5 %) ange­setzt werden. Bislang (somit für vor dem 1.1.2022 erbrach­te Dienst­leis­tun­gen mit Rou­ti­ne­cha­rak­ter) konnte ein (Brutto)Gewinnaufschlag zwischen 5 % und 15 % her­an­ge­zo­gen werden. Unter Berück­sich­ti­gung gewisser Vor­aus­set­zun­gen stellt auch der soge­nann­te Low value-adding intra-group services Ansatz der OECD eine Mög­lich­keit dar, einen Gewinn­auf­schlag von 5 % bei kon­zern­in­ter­nen Dienst­leis­tun­gen zu untermauern.

Im Rahmen der Finan­zie­rungs­trans­ak­tio­nen zeigen die VPR 2021 im Ver­gleich zum Vor­gän­ger aus dem Jahr 2010 ein struk­tu­rier­te­res Bild und beweisen überdies, dass Öster­reich der inter­na­tio­na­len Aus­rich­tung im Bereich Finanz­trans­ak­tio­nen gerecht wird. Bei der fremd­üb­li­chen Fest­set­zung von Zins­sät­zen im Konzern sollten mitunter folgende Aspekte berück­sich­tigt werden. Die Kon­zern­zu­ge­hö­rig­keit wirkt sich typi­scher­wei­se auf die Kre­dit­wür­dig­keit (Bonität) des Dar­le­hens­neh­mers aus und führt zu einem ange­pass­ten Stand-alone Rating. Prak­tisch relevant ist auch der Umstand, dass konkret vor­lie­gen­de Kre­dit­an­ge­bo­te einer Bank — sofern diesen eine aus­führ­li­che Boni­täts­prü­fung zugrunde liegt — den VPR 2021 folgend einen ange­mes­se­nen Preis­ver­gleich dar­stel­len können und somit für die Plau­si­bi­li­sie­rung von Zins­sät­zen bei kon­zern­in­ter­nen Darlehen her­an­ge­zo­gen werden können. Hingegen reicht eine Stel­lung­nah­me einer Bank, zu welchen Zinsen sie ein Darlehen gewähren würde, regel­mä­ßig nicht für einen Fremd­ver­gleich aus.

Betriebs­stät­ten und der “AOA-light”

Unter­neh­mens­ge­win­ne werden grund­sätz­lich im Ansäs­sig­keits­staat des Unter­neh­mens besteu­ert, sofern nicht in einem anderen Staat eine Betriebs­stät­te des Unter­neh­mens besteht — dann darf übli­cher­wei­se der Betriebs­stätt­ten­staat das ent­spre­chen­de Ergebnis der Betriebs­stät­te besteu­ern. Die VPR 2021 setzen sich umfang­reich mit dem Thema Betriebs­stät­ten aus­ein­an­der — wichtige Vor­aus­set­zung dabei ist, dass ein aus­län­di­sches Unter­neh­men in Öster­reich eine Betriebs­stät­te begrün­den kann (gleiches gilt natür­lich auch im umge­kehr­ten Fall und ist daher für öster­rei­chi­sche Unter­neh­men von Bedeu­tung). Wenn eine Betriebs­stät­te im Ausland begrün­det wird, stellen sich neben einem mög­li­chen Dop­pel­be­steue­rungs­ri­si­ko oft auch admi­nis­tra­ti­ve Anfor­de­run­gen wie z.B. die Pflicht zur Abgabe einer Steu­er­erklä­rung für die Betriebs­stät­te usw.

Bei den ver­schie­de­nen Aus­prä­gungs­for­men von Betriebs­stät­ten wird zwischen ört­li­cher Betriebs­stät­te (feste örtliche Ein­rich­tung), Ver­tre­ter­be­triebs­stät­te, Betriebs­stät­te aufgrund von Bau­aus­füh­run­gen und Montage sowie gege­be­nen­falls Dienst­leis­tungs­be­triebs­stät­te (diese ist nur in ein­zel­nen öster­rei­chi­schen Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men ent­hal­ten) unter­schie­den. Ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um für eine örtliche Betriebs­stät­te ist jenes der Ver­fü­gungs­macht über eine feste Ein­rich­tung, wobei hier die VPR 2021 entgegen früheren Ansich­ten der öster­rei­chi­schen Finanz­ver­wal­tung einer weiteren Aus­le­gung folgen und sich somit das Risiko einer Betriebs­stät­ten­be­grün­dung (in Öster­reich) grund­sätz­lich erhöht hat. Aktua­li­tät hat — ins­be­son­de­re in Zeiten der aktu­el­len COVID-19-Pandemie — das Thema Home-Office und damit das Risiko, dass ein Unter­neh­men durch seinen Arbeit­neh­mer im Home-Office (im Ausland) eine Betriebs­stät­te im Ausland begrün­det. Die VPR 2021 nennen hier zumin­dest zeit­li­che Richt­wer­te, ob ten­den­zi­ell durch den Arbeit­neh­mer im Home-Office eine Betriebs­stät­te begrün­det werden kann oder nicht. Regel­mä­ßig wird keine Betriebs­stät­te begrün­det, wenn die im Home-Office aus­ge­üb­ten Tätig­kei­ten weniger als 25 % der Gesamt­ar­beits­zeit des Arbeits­neh­mers (z.B. 1 Tag pro Woche) aus­ma­chen und somit als gele­gent­lich ein­zu­stu­fen sind. Hingegen kann bei einer mehr als 50 %igen Nutzung des Home-Office nicht mehr von einer bloß gele­gent­li­chen Nutzung gespro­chen werden; das Risiko der Begrün­dung einer Betriebs­stät­te steigt entsprechend.

Liegt eine Betriebs­stät­te vor, so muss dieser ein fremd­üb­li­ches steu­er­li­ches Ergebnis zuge­ord­net werden — selbst wenn Betriebs­stät­te und Stamm­haus recht­lich eine Einheit dar­stel­len. Unter dem Schlag­wort “AOA-light” (Aut­ho­ri­zed OECD Approach light) folgt die öster­rei­chi­sche Finanz­ver­wal­tung — wie schon in der Ver­gan­gen­heit — nur einer ein­ge­schränk­ten Selb­stän­dig­keits­fik­ti­on der Betriebs­stät­te. Das bedeutet, dass Darlehens‑, Miet- und Lizenz­ver­trä­ge zwischen Stamm­haus und Betriebs­stät­te (und umge­kehrt) steu­er­lich nicht aner­kannt sind, sondern dass ledig­lich eine Zuord­nung von Auf­wen­dun­gen, die dem Unter­neh­men (also Stamm­haus und Betriebs­stät­te gemein­sam) gegen­über fremden Dritten erwach­sen sind, möglich ist. Generell gilt bei der Gewinn­zu­rech­nung bzw. der Höhe der Ver­gü­tung von Betriebs­stät­ten, dass die Mit­ar­bei­ter in der Betriebs­stät­te den wich­ti­gen Aus­gangs­punkt bilden (so genannte signi­fi­cant people func­tions) und maß­ge­bend für die Zuord­nung von Risiken, Wirt­schafts­gü­tern und schließ­lich Dota­ti­ons­ka­pi­tal zur Betriebs­stät­te sind.

DEMPE-Konzept

Bei Ver­rech­nungs­prei­sen ist seit jeher die Bedeu­tung von imma­te­ri­el­len Werten als Aus­gangs­punkt für die Bemes­sung einer fremd­üb­li­chen Ver­gü­tung nicht zu unter­schät­zen. Maß­ge­bend für die Bestim­mung bzw. Auf­tei­lung der Gewinne im Konzern ist das von der OECD ent­wi­ckel­te DEMPE-Konzept. Bei kon­zern­in­ter­nen Trans­ak­tio­nen i.Z.m. imma­te­ri­el­len Werten wie etwa bei der Lizen­sie­rung oder Auf­trags­for­schung ist daher wichtig, welche Gesell­schaft im Konzern die Funk­tio­nen Deve­lo­p­ment (Ent­wick­lung), Enhan­ce­ment (Ver­bes­se­rung), Main­ten­an­ce (Instand­hal­tung), Pro­tec­tion (Schutz) und Explo­ita­ti­on (Ver­wer­tung) in Bezug auf die imma­te­ri­el­len Werte durch­führt bzw. wer die finan­zi­el­len Kapa­zi­tä­ten hat und die Risi­ko­kon­troll­funk­ti­on ausübt. Für die Ausübung der Risi­ko­kon­troll­funk­ti­on sind typi­scher­wei­se wiederum finan­zi­el­le wie auch ent­spre­chend per­so­nel­le Res­sour­cen notwendig.

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