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BAO-Praxis — Wie­der­auf­nah­me des Verfahrens

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

August 2008 

Die Bedeu­tung der BAO im Alltag

Ein all­täg­li­cher in Bescheid­be­grün­dun­gen gele­se­ner Satz lautet: “Im Rahmen der Gesamt­ab­wä­gung war der Rechts­rich­tig­keit Vorrang vor der Rechts­si­cher­heit ein­zu­räu­men”. Wenn­gleich es natür­lich bereits als positiv fest­ge­hal­ten werden kann, über­haupt eine (not­wen­di­ge) Begrün­dung zu ent­de­cken, so erfüllt uns der erwähnte Satz letzt­end­lich meistens (doch) nicht mit voller Freude. Warum dies so ist, worauf man bei den zugrunde lie­gen­den Fällen achten sollte und wie man am besten doch noch zur eigenen Freude bzw jener des Man­dan­ten das Blatt wendet sei in Folge kurz erörtert.

Die Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens aufgrund neu her­vor­ge­kom­me­ner Tat­sa­chen und/oder Beweismittel

Eine Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens ist aufgrund dreier Tat­be­stän­de möglich: dem Erschlei­chungs­tat­be­stand (lit a), dem Neue­rungs­tat­be­stand (lit b) und dem Vor­fra­gen­tat­be­stand (lit c). Der Neue­rungs­tat­be­stand gem (§ 303 Abs 4 iVm) § 303 Abs 1 lit b BAO kommt hievon sicher­lich am häu­figs­ten zur Anwen­dung. Bevor sich nun den ein­zel­nen Tat­be­stands­ele­men­ten gewidmet werden kann, sei noch fest­ge­hal­ten, dass eine Wie­der­auf­nah­me auf Antrag (§ 303 Abs 1 BAO) — sodann in gebun­de­ner Ver­wal­tung — oder aber von Amts wegen (§ 303 Abs 4 BAO) — dies­falls als Ermes­sens­ent­schei­dung — durch­ge­führt werden kann.

“Neu her­vor­ge­kom­men”

Ein Par­tei­en­an­trag auf Wie­der­auf­nah­me ist nur dann erfolgs­ver­spre­chend, wenn die neuen Tat­sa­chen “ohne grobes Ver­schul­den” der Partei im abge­schlos­sen Ver­fah­ren nicht geltend gemacht wurden. Hingegen genügt für eine amts­we­gi­ge Wie­der­auf­nah­me der objek­ti­ve Umstand, dass die ent­spre­chen­den Tat­sa­chen oder Beweis­mit­tel im abge­schlos­se­nen Ver­fah­ren nicht geltend gemacht wurden. Eine sub­jek­ti­ve Kom­po­nen­te, warum dies (nicht) geschah, spielt dies­falls indessen keine Rolle. Ins­be­son­de­re im Zusam­men­hang mit Außen­prü­fun­gen gem § 147 BAO, welche — wenn aus Sicht der Finanz positiv — regel­mä­ßig eine amts­we­gi­ge Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens nach sich ziehen, wird die Frage des “Neu Her­vor­kom­mens” von Tat­sa­chen den Kern der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on mit dem Betriebs­prü­fer dar­stel­len, samt dem beharr­li­chen Hinweis des Prüfers, dass es bei der Finanz nicht darauf ankomme, warum die nun “ent­deck­ten” Tat­sa­chen nicht schon früher berück­sich­tigt wurden.

Durch eine Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens soll die Mög­lich­keit geschaf­fen werden, bisher unbe­kann­ten, aber ent­schei­dungs­we­sent­li­chen Sach­ver­halts­ele­men­ten Rechnung zu tragen, nicht aber, bloß die Folgen einer unzu­tref­fen­den recht­li­chen Wür­di­gung offen gelegter Sach­ver­hal­te zu besei­ti­gen (zB VwGH 13.09.1988, 87/14/159).

In diesem Zusam­men­hang ist auch die Fest­stel­lung des VwGH zu sehen, dass die amts­we­gi­ge Ermitt­lungs­pflicht nicht erst im Rahmen einer abga­ben­be­hörd­li­chen Über­prü­fung zum Tragen kommt. Vielmehr wird durch die §§ 161 ff BAO — unter der Über­schrift “Prüfung der Abga­ben­er­klä­run­gen” und expli­zi­tem Verweis auf § 115 BAO — zwei­fels­frei ange­ord­net, dass die Abga­ben­be­hör­de eben bereits die Abga­ben­er­klä­run­gen zu prüfen und, soweit nötig, durch schrift­li­che Auf­for­de­rung zu ver­an­las­sen hat, dass die Abga­be­pflich­ti­gen unvoll­stän­di­ge Angaben ergänzen bzw Zweifel besei­ti­gen. Wenn die Abga­ben­be­hör­de Bedenken gegen die Rich­tig­keit der Abga­ben­er­klä­rung hegt, hat sie die Ermitt­lun­gen vor­zu­neh­men, die sie zur Erfor­schung des Sach­ver­halts für nötig hält (zB VwGH 17.09.1999, 93/13/0059).

Es kommt nach stän­di­ger VwGH-Judi­ka­tur somit einzig darauf an, ob der Abga­ben­be­hör­de im wie­der­auf­zu­neh­men­den Ver­fah­ren der Sach­ver­halt so voll­stän­dig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Ver­fah­ren bei rich­ti­ger recht­li­cher Sub­sump­ti­on zu der nunmehr im wie­der­auf­ge­nom­me­nen Ver­fah­ren erlas­se­nen Ent­schei­dung hätte gelangen können. War dies der Fall, so sind — unab­hän­gig von einer Ver­schul­dens­fra­ge — die Tat­sa­chen nicht als “neu her­vor­ge­kom­men” iSd § 303 Abs 1 lit b BAO zu qua­li­fi­zie­ren, weshalb auch eine recht­mä­ßi­ge Wie­der­auf­nah­me von Amts wegen nicht erfolgen kann.

Man ist also gut beraten, dem Finanz­amt in Steu­er­erklä­run­gen, Jah­res­ab­schlüs­sen, Beilagen etc mög­lichst umfas­send die zugrunde lie­gen­den Über­le­gun­gen, Qua­li­fi­ka­tio­nen uä offen zu legen und somit bereits im Ver­an­la­gungs­sta­di­um die Abga­ben­be­hör­den best­mög­lichst und proaktiv zu ser­vicie­ren. Dies ist die einzige Mög­lich­keit, die “Chance” einer amts­we­gi­gen Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens mög­lichst gering zu halten.

Ein Nachweis der voll­stän­di­gen Offen­le­gung im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren samt der kri­ti­schen Über­prü­fung der Begrün­dung des Wie­der­auf­nah­me­be­schei­des ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der Ermes­sens­er­wä­gun­gen, vermag hier oft “Wunder” zu wirken. Wenn auch uU nicht sogleich in erster Instanz (per BVE) so regel­mä­ßig doch in zweiter Instanz vor dem UFS. Auch von dieser Recht­spre­chungs­in­stanz exis­tie­ren mitt­ler­wei­le unter­stüt­zen­de Argu­men­ta­ti­ons­hil­fen in Form von bereits ergan­ge­nen UFS-Entscheidungen.

Zusam­men­fas­sung

Wenn­gleich es nicht auf ein etwaiges Ver­schul­den der Behörde betref­fend die Frage, warum bestimm­te Tat­sa­chen im abge­schlos­se­nen Ver­fah­ren nicht berück­sich­tigt wurden, ankommt, so bedeutet dies nicht, dass der Abga­be­pflich­ti­ge zu jeder Zeit mit einer amts­we­gi­gen Wie­der­auf­nah­me gem § 303 Abs 4 iVm § 303 Abs 1 lit b BAO kon­fron­tiert werden kann. Bei voll­stän­di­ger Offen­le­gung aller ent­schei­dungs­re­le­van­ten Umstände bereits im Ver­an­la­gungs­sta­di­um wird aufgrund dessen regel­mä­ßig nicht von einem Vor­lie­gen “neu her­vor­ge­kom­me­ner Tat­sa­chen” aus­zu­ge­hen sein und somit eine etwaige Ver­fü­gung einer Wie­der­auf­nah­me erfolgs­ver­spre­chend bekämpft werden können.

Bild: © Tino Neitz — Fotolia