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Artikel zum Thema: Versandhandel

Umsatz­steu­er­li­che Fall­stri­cke beim Ver­sand­han­del in der EU

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

April 2017 

Das Internet ermög­licht öster­rei­chi­schen Unter­neh­men unge­ahn­te Mög­lich­kei­ten in der Erschlie­ßung neuer Märkte in anderen Mit­glied­staa­ten der EU. Dabei sind aller­dings umsatz­steu­er­li­che Beson­der­hei­ten beim Verkauf von Waren an bestimm­te Erwerber (z.B. Private oder Unter­neh­mer, die den Gegen­stand nicht für ihr Unter­neh­men erwerben) zu beachten, wenn die Waren ver­sen­det werden.

Grund­re­gel

Grund­sätz­lich sind Verkäufe von Waren an Pri­vat­per­so­nen an dem Ort steu­er­bar, an dem die phy­si­sche Waren­be­we­gung startet. D.h. bei einem Verkauf aus Öster­reich (z.B. Lager in Öster­reich) unter­lie­gen Lie­fe­run­gen (aus­ge­nom­men neue Kraft­fahr­zeu­ge und ver­brauch­steu­er­pflich­ti­ge Waren) an Pri­vat­per­so­nen der öster­rei­chi­schen Umsatzsteuer.

Beispiel: Unter­neh­mer AT1 verkauft Waren (aus­ge­nom­men Kraft­fahr­zeu­ge und ver­brauch­steu­er­pflich­ti­ge Waren) an einen privaten Kunden in Italien. Die Waren werden direkt von Graz nach Venedig trans­por­tiert, die Rechnung wird direkt an den Kunden gelegt. Der Verkauf an einen Nicht­un­ter­neh­mer unter­liegt in diesem Fall daher der öster­rei­chi­schen Umsatzsteuer.

Ver­sand­han­dels­re­ge­lung

Beson­de­re Vorsicht ist immer dann geboten, wenn Verkäufe an gewisse Abnehmer im EU-Ausland „in größerem Umfang“ erfolgen. Dann ändert sich die umsatz­steu­er­li­che Beur­tei­lung und die Verkäufe unter­lie­gen nicht mehr der öster­rei­chi­schen Umsatz­steu­er, sondern der Umsatz­steu­er des Landes, in dem die Waren­be­we­gung endet. Diese Änderung wird als Ver­sand­han­dels­re­ge­lung bezeich­net. Sinn dieser Regelung ist es, eine umsatz­steu­er­li­che Wett­be­werbs­ver­zer­rung zu ver­hin­dern, indem ab Umsätzen von größerem Umfang der Umsatz­steu­er­satz des Bestim­mungs­lan­des zur Anwen­dung kommt.

Bei fol­gen­den Abneh­mern kommt die Ver­sand­han­dels­re­ge­lung grund­sätz­lich zur Anwendung:

  • Private,
  • Unter­neh­mer, die den Gegen­stand nicht für ihr Unter­neh­men erwerben,
  • Schwel­len­er­wer­ber, die auf die Anwen­dung der Erwerbs­schwel­le nicht ver­zich­tet haben,
  • pau­scha­lier­te Landwirte,
  • juris­ti­sche Personen, die nicht Unter­neh­mer sind oder die den Gegen­stand nicht für ihr Unter­neh­men erwerben.

Der „größere Umfang“, ab dem sich die umsatz­steu­er­li­che Beur­tei­lung ändert, ist die soge­nann­te Lie­fer­schwel­le, welche von jedem Mit­glied­staat der EU indi­vi­du­ell zwischen 35.000 € und 100.000 € fest­ge­legt werden kann. Die Lie­fer­schwel­le ist dabei für jeden Mit­glied­staat separat zu beachten.

Beispiel: Unter­neh­mer AT2 verkauft Waren (aus­ge­nom­men Kraft­fahr­zeu­ge und ver­brauch­steu­er­pflich­ti­ge Waren) an einen privaten Kunden in Frank­reich und an einen privaten Kunden in Spanien. Im Jahr 2017 wurde die Lie­fer­schwel­le in Frank­reich i.H.v. 35.000 € über­schrit­ten, die Lie­fer­schwel­le in Spanien wurde nicht über­schrit­ten. Die Waren werden direkt von Linz nach Frank­reich bzw. nach Spanien trans­por­tiert, die Rechnung wird direkt an den Kunden gelegt. Der Verkauf an einen fran­zö­si­schen Nicht­un­ter­neh­mer unter­liegt in diesem Fall daher der fran­zö­si­schen Umsatz­steu­er während der Verkauf an einen spa­ni­schen Nicht­un­ter­neh­mer mangels Über­schrei­ten der Lie­fer­schwel­le in Spanien wei­ter­hin der öster­rei­chi­schen Umsatz­steu­er unterliegt.

Kon­se­quen­zen

Werden Lie­fe­run­gen in ein EU-Mit­glieds­land getätigt und wird dabei die Lie­fer­schwel­le über­schrit­ten, so ist ab Über­schrei­ten der Lie­fer­schwel­le das Umsatz­steu­er­recht des jewei­li­gen Landes und nicht mehr öster­rei­chi­sches Umsatz­steu­er­recht anzu­wen­den. Eine umsatz­steu­er­li­che Regis­trie­rung in jenem Land ist dann in der Regel erfor­der­lich. Häufig wird jedoch das Über­schrei­ten dieser Lie­fer­schwel­le über­se­hen, was zu (nega­ti­ven) umsatz­steu­er­li­chen Kon­se­quen­zen in diesem Land führen kann. In Abhän­gig­keit des Landes und des Betrages der nicht ent­rich­te­ten aus­län­di­schen Umsatz­steu­er können Strafen von bis zu 200% der nicht ent­rich­te­ten Umsatz­steu­er anfallen. Es emp­fiehlt sich daher, bei Ver­käu­fen an die genann­ten Abnehmer auch das Zielland mit­zu­er­he­ben – sei es durch eigene Umsatz­kon­ten oder durch ein zusätz­li­ches Ein­ga­be­feld, damit eine Aus­wer­tung mög­lichst einfach erfolgen kann.

Steu­er­li­che Gestaltungsmöglichkeiten

Auf die Anwen­dung der Lie­fer­schwel­le kann ein Unter­neh­mer auch frei­wil­lig ver­zich­ten. Das ist ins­be­son­de­re in jenen Fällen vor­teil­haft, in denen der Umsatz­steu­er­satz des anderen Landes nied­ri­ger ist als der Umsatz­steu­er­satz in Öster­reich. In diesem Fall kann z.B. bei Lie­fe­run­gen an Pri­vat­per­so­nen in Deutsch­land 19% deutsche Umsatz­steu­er ver­rech­net werden, anstatt mit 20% öster­rei­chi­scher Umsatz­steu­er abzu­rech­nen. Das kann bei gleich­blei­ben­dem Umsatz­er­lös des Unter­neh­mers ein Vorteil für den Privat­kun­den sein, da er Waren güns­ti­ger ein­kau­fen kann. Ebenso würde dem Unter­neh­mer bei gleich­blei­ben­dem Brut­to­preis ein höherer Net­to­er­lös verbleiben.

Aktuelle Schwel­len­wer­te in Europa

Die EU-Kom­mis­si­on hat eine Über­sicht ver­öf­fent­licht, in der die derzeit (Stand März 2017) gültigen Lie­fer­schwel­len je Land ange­ge­ben sind.

Land

Lie­fer­schwel­le in lokaler Währung

Umge­rech­net in EUR

(Euro­äqui­va­len­te i.H.d. von der Euro­päi­schen Zen­tral­bank am 17.3.2016 ver­öf­fent­lich­ten Euro-Umrechnungskurse)

Belgien

EUR 35.000

 

Bul­ga­ri­en

BGN 70.000

35.791

Dänemark

DKK 280.000

37.557

Deutsch­land

EUR 100.000

 

Estland

EUR 35.000

 

Finnland

EUR 35.000

 

Frank­reich

EUR 35.000

 

Grie­chen­land

EUR 35.000

 

Irland

EUR 35.000

 

Italien

EUR 35.000

 

Kroatien

HRK 270.000

38.831

Lettland (Latvia)

EUR 35.000

 

Litauen

EUR 35.000

 

Luxem­burg

EUR 100.000

 

Malta

EUR 35.000

 

Nie­der­lan­de

EUR 100.000

 

Polen

PLN 160.000

37.300

Portugal

EUR 35.000

 

Rumänien

RON 118.000

26.353

Schweden

SEK 320.000

34.433

Slo­ve­ni­en

EUR 35.000

 

Slowakei

EUR 35.000

 

Spanien

EUR 35.000

 

Tsche­chi­sche Republik

CZK 1.140.000

42.153

Ungarn

EUR 35.000

 

Ver­ei­nig­tes Königreich

GBP 70.000

89.493

Zypern

EUR 35.000

 

Bild: © Tom Mc Nemar — Fotolia